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Aminet 25
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Aminet 25 (1998)(GTI - Schatztruhe)[!][Jun 1998].iso
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Text File
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1998-04-12
|
11KB
|
166 lines
#Titel Lifestyle / Frühstyxradio / Schröder - die CD
#Logo gadget35:pinsel/AG.Lifestyle
#Font Losse 16
#C31
Es schrödert im CD-Player
#Font topaz 8
#C10
- die "Schröder"-CD von Sabine Bulthaup und Dietmar Wischmeyer
#C21
Er ist der Triumphator der SPD, (zumindest nördlich des Mains) der
Volksheld der Neunziger und der erste ernstzunehmende Kohl-Herausforderer
seit dem Abgang des Nordlichts Engholm vom politischen Parkett. Doch
noch bevor er mit einem sensationellen Wahlergebnis Anfang März diesen Jahres
endgültig zum Darling aller Medien wurde, hatte ihn ein ganz spezieller
Radiosender, bzw. ein ganz spezielles Radioprogramm schon lange ganz, ganz
doll lieb - auf die Anarchotruppe des "Frühstyxradios" übte Gerhard Schröder
offensichtlich bereits seit einiger Zeit die Faszination des monarchengleichen
Landesherrn aus und so tauchte der gelernte Jurist des öfteren als Objekt des
treffsicheren Humors der Truppe um Dietmar Wischmeyer in diversen Sketchen
des "Frühstyxradio"s auf. Was lag da zu Beginn des - zumindest für den
Niedersachen selbst zu Recht mit dem Superlativ geschmückten - "Superwahljahr"s
1998 näher, als alle Schröder-Beiträge zusammenzufassen, um ein bißchen
neues Material zu ergänzen und auf einer eigenen CD zu veröffentlichen, zur
Profitmaximierung natürlich begleitet von einem von der Bevölkerung nicht
minder sehnlich erwartetem "Schröder"-Buch. Schlimmstenfalls wären ihnen ja
die für ihren Masochismus bekannte Parteilinke und der Vorstand von VW als
Käuferkreis sicher gewesen. Doch mit der inzwischen als "Niedersachsen-Wahl"
bereits zu einem "Event" in der politischen Zeitgeschichte Deutschlands
gewordenen Akklamation des smarten Politikers mit dem "Raubtierlächeln" erweist
sich der Gag geradezu als genialistisch, die CD als erster Vorstoß gegen die
auch kabarettistisch konkurrenzlose Präsenz des noch amtierenden Kanzlers.
Dabei beginnt der mit fast 70 Minuten Spieldauer gut gefüllte Tonträger selbst
verhältnismäßig unspektakulär - und dafür umso standesgemäßer mit einer
Mikroprobe, die Schlitzohr Wischmeyer zu einem ersten Sketch mit und über
den großen Selbstinszenierer Gerhard Schröder nutzt. In den nachfolgenden
insgesamt über 25 Einzelbeiträgen geht es trotz des immer gleichen Themas
(Schröder, Schröder, Schröder) dann jedoch bunt durcheinander. Natürlich treten
zahlreiche der bekannten "Frühstyxradio"-Charaktere auf. So lästert Günther
der Treckerfahrer (Wischmeyer) zum tuckernden Diesel seines Lanz über die Angst
der SPD vor der Regierungsverantwortung und ihre phantasievollen Manöver, sich
vor solcher zu drücken. Und Dilettanten-Journalist Pavian Meyer zu Brochterbeck
(erneut Wischmeyer) scheitert hinreißend komisch beim Versuch, den MP zu
interviewen, während sein auszubildender Kollege, der pubertierende Rotzlöffel
Erwin Höhnefeld (Bulthaup), der trotz seines jugendlichen Alters schon der CDU
nahesteht, versucht, Schröder dem Alkoholkonsum zu entwöhnen. Nicht fehlen
dürfen aber auch die beiden alten Schreckschrauben Frieda (Wischmeyer) und
Anneliese (Bulthaup) mit ihren spießig-trockenen Kommentaren. Sie sind sogar
doppelt vertreten - bei zweiten Mal gibt ihnen Schröder höchstselbst die Ehre
seines Besuches (was Frieda dazu veranlaßt, das Eiserne Kreuz aus der
Versenkung zu holen, damit es im trauten Heim etwas feierlich wirkt, wenn die
Regierung kommt...). Daneben gibt es aber auch einige spezielle Beiträge, die
nicht einem der aus dem "Frühstyxradio" bekannten regelmäßigen "Formate"
entsprechen - etwa einen Bericht von fiktiven Geburtstagsfeierlichkeiten zu
Ehren des Landesvaters oder ein Fazit nach einer (nicht minder erfundenen)
Landtagswahl, bei der es nur Verlierer gab und selbst Schröder die absolute
Mehrheit verfehlte (nämlich lediglich neben etwa 50 weiteren SPD-Abgeordneten
ins Parlament einziehen konnte). Eine gewisse Struktur bekommt die ganze CD
aber vor allem durch zwei Sketchformen. Zum einen sind da insgesamt sechs
scheinbar direkt vom Stammtisch aufgezeichnete Tondokumente mit dem Titel "Da
lacht der SPD-Ortsverein", in denen vor allem relativ billige und wenig
innovative Scharping-Witze zum besten gegeben werden. Und zum anderen wurde
der Namensgeber und Regierungschef selbst viermal zu einem "Gespräch im
Studio" (plus einem "Schlußwort") gebeten, in dessen Rahmen er von
unterschiedlichen "Frühstyxradio"-Figuren, aber auch vom "wirklichen" "Duo
infernale" Wischmeyer und Bulthaup mehr oder meistens weniger zur Sache befragt
wurde. Diese beiden Sketch-Serien finden sich in fast schon regelmäßigen
Abständen über die CD hinweg verteilt. Doch auf dieser wird nicht nur geredet.
An zwei Stellen ertönt Musik aus den an den CD-Spieler (respektive den
zwischengeschalteten Verstärker) angeschlossenen Lautsprechern. Weniger
erfreulich und witzig ist das bei einem angeblich von einem Cuthbert J. Tilly
verbrochene Lied namens "Bitte keine Tränen", einem jaulenden Abgesang auf
Schröders Ex-Ehefrau Hiltrud, genannt "Hillu". Als umso frecher und spritziger
erweist sich aber die niedersächsische Landeshymne, das "Lied der
Niedersachsen" - zumindest in der Interpretation der "Frühstyxradio"-Crew, die
munter alle Stilrichtungen vom Volkslied bis zum Hardrock plündert und
rechtschaffenen Landesbürgern sicherlich die Haare zu Berge stehen ließe, wenn
es denn in Niedersachsen letztere gäbe. Für Außenstehende faszinierend ist
dabei allemal der reichlich patriotisch-pathetische Text der Hymne, gegen den
die Marseillaise streckenweise wie ein Kinderlied wirkt. Abseits dieser beiden
Sangesgaben heißt die CD aber völlig zu Recht "Schröder". Wie es sich für einen
Popstar gehört, ist Schröder nicht bloß das passive Objekt der Bewunderung,
sondern aktiv in die Sketche eingebunden. Das beginnt harmlos mit Interviews,
wobei auch schon bei diesen mit zunehmender Aktualität der Aufnahme die
Interaktion des Medienpolitkünstlers von der Leine mit den Schandmäulern aus
Peine munterer, der in den Antworten liegende Sprachwitz zielsicherer und die
Atmosphäre insgesamt entspannter wird. Und geht weiter mit Sketchen, in denen
Schröder zwar noch als er selbst, aber bereits ganz offen nur noch als Teil
einer Sketch-Inszenierung auftritt (der Besuch bei "Frieda und Anneliese") und
hört (wie die CD selbst) mit einem Beitrag auf, in dem der Ministerpräsident
völlig in einen "Frühstyxradio"-Charakter, den norddeutsch nuschelnden "kleinen
Tierfreund" schlüpft und, nebenbei bemerkt, dabei eine sehr gute Figur abgibt
(wenngleich der Sketch selbst wenig spektakulär ist). Einmal mehr beherrscht
der Hannoveraner das Medium, das sich eigentlich seiner bemaechtigen wollte.
Aus dem Medien- wird, wenn es sein muss, also auch schon mal ein Comedy-Star.
#C10
"Hamburg, Niedersachsen und Litauen, oder wie dieser Kram östlich der
Elbe heisst, bilden also einen Nordstaat. Wieso keinen Mittelstaat, sagen wir
mal, mit Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Dingsbums ? Oder einen Vatikanstaat
in Fechta ? Ich meine: was soll das ganze Rumgemache an den Grenzen, wenn wir
fünf neue Winzigländer uns gerade ausgedacht haben ?"
-- Dietmar Wischmeyer beim "Gespräch im Studio"
#C21
Die Qualität der einzelnen Sketche und sonstigen Beiträge variiert
naturgemäß stark zwischen Westerwelle-windig und Fischer-flott. Doch die
lahmen Enten (wie z.B. die Schiller-Verringhornung "Der Ring des Autokrates"
oder das dröge "Die Neben von Skandalon") sind deutlich in der Opposition.
Die gelungenen Beiträge haben die absolute Mehrheit, an der Spitze der
Spaßfraktion stehen die Gespräche im Studio, "Ein Land sagt Dankeschön" und
der Besuch des MP bei Frieda und Anneliese. Wer hier nicht vor Lachen ins
Parteibuch beißt, sollte am besten gleich die "Grauen Panther" wählen. Das
besondere an diesem speziellen Wischmeyerschen Humor ist das scheinbar
vordergründig-banal vorgetragene Tiefgründige, der Zerrspiegel, den er in
seinen Texten der entrüsteten Wirklichkeit vorhält. Political Correctness ist
für den unheimlichen Star des "Frühstyxradio"s das, was es ist: ein Fremdwort.
Und in Schröder hat er einen ebenbürtigen Mitspieler gefunden, der sich für
keinen Witz auf seine Kosten zu schade ist und sichtlich (respektive: hörbar)
Spaß am munteren Ton-Treiben hat, ganz nach dem Motto: "Warum und wie ist
mir egal - Hauptsache ich bin in den Medien und im Mittelpunkt." Allerdings
merkt man dem Material das zum Teil doch schon fortgeschrittene Alter an - so
ist in einem Beitrag der Schnitzelkrieg bei Schröders noch ferne Zukunft
und an anderer Stelle von einer Fortschaffung Lady Dis die Rede, was zum
Zeitpunkt des Sketches noch nicht im Ruch zweideutiger Geschmacklosigkeit
stand. Manchmal dürfte diese Schwelle dann aber doch auch überschritten sein
- insbesondere bei dem Witz über den schweren und nur zufälligerweise
letzten Endes weitgehend glimpflich verlaufenen Fahrradunfall Scharpings. Aber
das ist das Berufsrisiko politischen Kabaretts und kann den Spaß, den die
"Schröder"-CD ansonsten verbreitet, nicht nachhaltig mindern. Abgerundet wird
das ganze durch das brilliante Cover, das eine bravouröse Schröder-Karrikatur
(inklusive "Playboy"-Anstecker in SPD-Rot) von Sebastian Krüger zeigt, und
das (insgesamt sechzehnseitige) Booklet. In diesem befinden sich nicht nur
kurze Lebensläufe von Wischmeyer ("Dietmar Wischmeyer lebt abwechselnd im
Ldkrs. Schaumburg und in New York - wenn man ehrlich ist, hauptsächlich in
diesem Landkreis da.") und Bulthaup ("Sabine Bulthaup lebt abwechselnd am
Südrand des Steinhuder Meeres und am Nordrand der Rehburger Berge, je nachdem
in welchem Teil ihrer Wohnung sie sich gerade aufhält.") und ein
Bestellformular für weitere Tonträger und Merchandising-Artikel des
"Frühstyxradio"s, sondern auch diverse Photographien von Schröder - mal in
Gesellschaft der Komödianten, mal Akkordeon spielend auf einem fiktiven
SPD-Wahlplakat ("Rettet die Werften! Kauft mehr Schifferklaviere!"). Das ganze
ist eine gelungene und teilweise zum Brüllen komische Ergänzung der CD - der
Kandidat gewinnt sowohl bei der Erst-, als auch bei der Zweitstimme. Bleibt
nur die Frage nach der politischen Konsequenz. Was passiert, wenn Schröder
Kanzler werden sollte ? Das dürfte ein etwaiges Nachfolgeprojekt noch vor
dessen Planung zum Scheitern verurteilen. Und vor allem: kann man sich allen
Ernstes eine "Kohl-CD" vorstellen ? Eine absichtlich komische, wohlgemerkt.
Eben.
#Pinsel gadget35:Pinsel/an rechts
#Seitenende
#Y+50
#C10
"Man munkelt ja in der Journalistenszene, dass Sie an einem ganz finsteren
Plan zur Machtübernahme im Bund sitzen. Wenn die Regierung '98 von Bonn
nach Berlin umzieht, soll der ganze Konvoi auf halber Strecke in Hannover
abgefangen werden, die A2 für ein halbes Jahr gesperrt werden und so der
ganze Apparat zur Ansiedlung in Hannover gezwungen werden. Ein
verwegener Plan."
"Das ist ein Geheimplan bisher. Ich finde nicht gut, dass der hier kundgetan
wird. Können wir das schneiden bitte ?"
-- Dietmar Wischmeyer und Gerhard Schröder beim "Gespräch im Studio"